Dienstag, 6. August 2013

Der Unsichtbar Verlag - anders aus Überzeugung oder als Pose?

Leistet ein Verlag, der Bücher wie „Geschlechtsverkehr. Eine Einführung“, „Ich hab die Unschuld kotzen sehen“ als Comic oder „Zuhause bei Hitlers“ publiziert, einen Beitrag zur Alternativöffentlichkeit? Oder ist das ein bloßer , der mit seinem „Andersein“, mit seiner Andersartigkeit möglichst viele Käufer animieren will, bei dem aber der literarische Anspruch aber keine Rolle spielt?
Der Verlag, bei dem genannte Bücher erschienen sind ist der Unsichtbar Verlag.1 Ein sogenannter „junger Verlag“, also ein unabhängiger Verlag, vor nicht allzu langer Zeit gegründet und unabhängig von größeren Konzernen, der für sich selbst ein bestimmtes Image aufzubauen versucht. Ein Image aufbauen - das klingt zunächst einmal nach ganz klarer Idee einer Marketing-Kampagne. Doch hat das Image mit der Realität zu tun? Können junge Verlage einen Beitrag zur Alternativöffentlichkeit leisten? Oder geht es ihnen ausschließlich ums Geld?


Es gibt die These, dass unabhängige Verleger grunsdätzlich aus einer gewissen Haltung zur Literatur heraus“2 verlegen, nicht, um Geld zu verdienen. Im folgenden soll dies anhand des Unsichtbar Verlags näher betrachtet werden.


Das Image, dass der Verlag zu kreieren versucht, lässt sich schon anhand eines kleinen Filmchens erkennen:

Ein weiters spannendes Video findet ihr auch hier.

Das Image, das hier proklamiert wird ist das eines hippen Verlags, der die Bücher macht, die ihm gefallen und vor allem ein junges, „alternatives“ Publikum ansprechen will. Also ein Publikum abseits der „Mainstream-Buchkäufer“, die sich auf Titel wie Shades of Grey stürzen. Wichtig dabei ist, dass es dem Verleger nach eigenen Angaben darum geht „Ideen zu transportieren und Menschen zu berühren“3, nicht darum, möglichst hohen Profit zu erwirtschaften.
Dass man damit zur Entstehung von Alternativöffentlichkeiten beitragen möchte, wird selbstbewusst vom Verleger, Andreas Köglowitz, formuliert: „Man soll beim Unsichtbar Verlag vor allem junge deutsche Autoren finden, die zum einen etwas zu sagen haben, aber auch nicht so klingen wie die breite Masse.“4 Also sollen bei Unsichtbar Autoren erscheinen, die sonst kein Forum finden: junge, zumeist unbekannte Autoren, die bei größeren Verlage nur in seltensten Fällen und unter außergewöhnlichen Umständen die Chance hätten, veröffentlicht zu werden. Der Verlag fungiert also in seinem Selbstverständnis als Forum für Autoren, deren Bücher nicht dem Massengeschmack entsprechen und die somit eine kleinere, eine andere, vielleicht auch eine alternative, Öffentlichkeit erreichen. Es ist nicht vermessen zu vermuten, dass kein Buch des Unsichtbar Verlags in Kürze die Bestseller-Listen stürmen wird, die zum Großteil sowieso von Konzernverlagen bestimmt wird, von denen der gemeine Leser oft nicht einmal weiß, dass es sich um Konzernverlage handelt (zum Beispiel Bloomsbury, ein ehemaliger unabhängiger Verlag, der nun in Besitz von Piper ist). Im Video wird dieses Selbstverständnis deutlich. Obwohl es sich um eine Dokumentation des br handelt, wirkt es fast wie ein Werbevideo. Der Verlag präsentiert sich als geistig-unabhängig.5


Man könnte an dieser Stelle einwenden, ein Verlag, der eine wirkliche Alternativöffentlichkeit herstellt, müsse politisch sein, da eine Alternativöffentlichkeit schon in dem Sinne politisch sein muss, dass sich gegenüber „der“ Öffentlichkeit positioniert, sich also davon abgrenzt. Doch auch darauf hat der Verleger Köglowitz eine Antwort: „Dieser Verlag ist auch politisch, nicht links oder rechts, sondern bereit seine Meinung zu aktuellen Themen zu äußern und auch dazu zu stehen.“6 Also geht es dabei nicht um eine politische Richtung (die vielleicht beim Wagenbach Verlag erkennbar ist, der im nächsten Blogbeitrag Thema sein soll), sondern um Meinungsäußerungen. Es kann die These vertreten werden, dass allein dadurch, dass der Verlag als Forum die Möglichkeit bietet, Ansichten zu äußern, die vielleicht nicht der vorherrschenden veröffentlichten Meinung entsprechen, er vielleicht eine Alternativöffentlichkeit nicht zwangsläufig herstellt, zu dieser aber doch einen Beitrag leistet.


Es wird also insofern ein Beitrag zur Alternativöffentlichkeit geleistet, dass unbequemen Meinungen abseits des Mainstream ein Forum geboten wird (um dies zu belegen empfehle ich, einen Blick in die Bücher des Verlags zu werfen – durchweg irgendwie abgedreht, aber auch sehr empfehlenswert) Der Verlag als junger Verlag bespielt außerdem fast die gesamte Klaviatur der Social-Media-Plattformen: Unsichtbar ist vertreten auf Facebook (über 7000 Gefällt-mir-Angaben), Twitter, soundcloud, tumblr, hat einen eigenenYoutube-Channel (ein Kanal, den nicht mal einige der ganz großen Konzernverlage nutzen), eine gut gemachte Homepage (auch dies kann man von einigen Konzernverlagen nicht behaupten) und einen eigenen Blog. Der Blog beschäftigt sich dabei weniger mit Büchern des Verlags, sondern mit aktuellen gesellschaftlich relevanten Themen.
Und ein kleines Schmankerl zum Schluss: Der Leser mit eingebunden: Die Kampagne „Ichbinunsichtbar“ beispielsweise ist ein Sticker-Wettbewerb, bei dem Leser sich verrückte Orte ausdenken, um den Aufkleber zu platzieren. Die Fotos werden dann auf der Facebook-Seite des Verlags gepostet. Die Zahl der Facebook-Fans des Verlags vervielfacht sich jedes Jahr nach der Kampagne.


Die Frage vom Anfang, ob der Unsichtbar Verlag einen Beitrag zur Alternativöffentlichkeit leistet oder ob es sich beim formulierten Selbstverständnis und der Präsentation nach außen um eine Marketingstrategie handelt, lässt sich wohl mit: beides beantworten. Der Verlag bietet Autoren eine Stimme, die sonst kaum Chancen auf Veröffentlichung hätten und nutzt die Position der eigenen Unabhängigkeit und die Proklamation diese geschickt als Marketinginstrument im Bereich der Kommunikationspolitik, um sich von anderen Verlagen abzugrenzen und damit einen unique selling  point aufzubauen. Nichtsdestotrotz ist auch der Unsichtbar Verlag ein am, eigentlich gesättigten7, Markt agierendes Unternehmen, das letztlich Profit machen muss, um zu überleben.



Literaturverzeichnis:
1 Vgl. http://www.unsichtbar-verlag.de/index.php?id=geschlechtsverkehr
2 Vgl. Stiglhuber: Macht und Ohnmacht der Unabhängigen. Independent-Verlage und ihre Verortung. Boizenburg 2011, S. 69.
3 http://www.unsichtbar-verlag.de/index.php?id=verlag
4 Ebd.
5 Vgl. Stiglhuber: Macht und Ohnmacht der Unabhängigen. Independent-Verlage und ihre Verortung. Boizenburg 2011, S. 50 ff.
6 http://www.unsichtbar-verlag.de/index.php?id=verlag

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